Letzte Woche haben wir die Einführung von Sento Ryoku Karate in unserem Dojo in Dielheim begonnen und die Inspiration durch den legendären Samurai Miyamoto Musashi beleuchtet. Heute tauchen wir tiefer in das Herzstück dieser Philosophie ein: die fünf starken Prinzipien, die unser Training und unser persönliches Wachstum leiten. Diese Prinzipien sind wie ein Kompass, der uns nicht nur im Karate, sondern auch im täglichen Leben Orientierung bietet.

1. Die Härteprüfung durch Extreme (極みを知る – Kiwami o shiru)

“Man muss den Weg im Ganzen kennen, um die Wahrheit in den Dingen zu erkennen.” – Miyamoto Musashi

Dieses erste Prinzip fordert uns auf, unsere Grenzen zu suchen und uns Herausforderungen zu stellen. Im Karate bedeutet das, auch wenn die Muskeln brennen und die Anstrengung groß ist, dranzubleiben. Es geht darum, die eigenen Widerstandsfähigkeiten zu erfahren und zu erweitern.

Im Karate: Den letzten Satz in der Kata mit voller Konzentration ausführen, auch wenn die Energie nachlässt. Zusätzliche Wiederholungen im Kihon absolvieren, um die eigene Ausdauer zu testen. Im Kumite nicht aufgeben, auch wenn der Kampf herausfordernd ist.

Im Alltag: Schwierige Aufgaben im Beruf annehmen, ein anspruchsvolles Hobby verfolgen, sich persönlichen Ängsten stellen. Die “Härteprüfung” lehrt uns, dass wahre Stärke oft durch das Überwinden von Schwierigkeiten entsteht.

2. Das allsehende Auge (観の目 – Kan no me)

“Man muss die Dinge aus der Distanz und aus der Nähe betrachten.” – Miyamoto Musashi

Das “allsehende Auge” beschreibt die Fähigkeit, eine Situation umfassend wahrzunehmen – nicht nur oberflächlich, sondern auch die subtilen Details und die zugrunde liegenden Zusammenhänge zu erkennen. Im Karate bedeutet das, die Bewegungen des Gegners genau zu beobachten, aber auch die eigene Körperhaltung und die Umgebung bewusst wahrzunehmen.

Im Karate: Die kleinste Bewegung des Partners im Kumite erkennen, um Angriffe zu antizipieren. Die korrekte Ausführung einer Technik nicht nur sehen, sondern auch fühlen und verstehen. Die Dynamik in einer Kata als Ganzes erfassen.

Im Alltag: Aufmerksames Zuhören in Gesprächen, das Erkennen nonverbaler Signale, das Verstehen der Perspektive anderer Menschen. Eine geschärfte Beobachtungsgabe hilft uns, die Welt um uns herum besser zu verstehen.

3. Der stille Geist des Wassers & die strategische Leere (水鏡の心と空の位 – Suikyou no kokoro to kuu no kurai)

“Der Geist muss immer klar sein wie Wasser.” – Miyamoto Musashi

Dieses Prinzip betont die Bedeutung eines ruhigen, klaren und unvoreingenommenen Geistes. Wie eine stille Wasseroberfläche, die alles unverzerrt widerspiegelt, sollten wir unseren Geist frei von unnötigen Gedanken und Emotionen halten, um klar denken und intuitiv handeln zu können. Die “strategische Leere” bedeutet, den Geist offen für neue Informationen und Möglichkeiten zu halten.

Im Karate: Vor einer Kata oder einer Kumite-Einheit den Geist beruhigen, um fokussiert zu sein. In einer Kampfsituation nicht in Panik geraten, sondern klar und überlegt reagieren.

Im Alltag: Stresssituationen mit einem kühlen Kopf begegnen, Entscheidungen ohne Vorurteile treffen, offen für neue Ideen und Perspektiven sein. Ein ruhiger Geist ermöglicht es uns, klarer zu denken und effektiver zu handeln.

4. Der Fluss ohne Rhythmus (無の拍子 – Mu no hyoushi)

“Man muss den Rhythmus in allen Dingen kennen.” – Miyamoto Musashi (impliziert auch die Fähigkeit, diesen Rhythmus zu brechen)

Dieses Prinzip lehrt uns die Wichtigkeit von Anpassungsfähigkeit und Unvorhersehbarkeit. Wie ein Fluss, der sich dem Gelände anpasst und seinen Lauf ändert, sollten wir im Karate und im Leben flexibel sein und uns nicht an starre Muster klammern. Es geht darum, den eigenen Rhythmus zu variieren und den Gegner (oder die Umstände) zu überraschen.

Im Karate: Im Kumite das Timing und die Geschwindigkeit von Angriffen variieren. In einer Kata unerwartete Akzente setzen. Sich schnell an veränderte Situationen im Training anpassen.

Im Alltag: Flexibel auf Planänderungen reagieren, kreative Lösungen für unerwartete Probleme finden, den eigenen Kommunikationsstil an verschiedene Gesprächspartner anpassen. Anpassungsfähigkeit ist eine Schlüsselkompetenz im modernen Leben.

5. Die Angst als Treibstoff der Klarheit (恐れを悟り、明鏡止水へ – Osore o satori, meikyou shisui e)

“Es gibt nichts außerhalb von dir, das dich kontrollieren kann.” – Miyamoto Musashi (impliziert die Kontrolle über die eigene Reaktion auf Angst)

Dieses Prinzip betrachtet Angst nicht als Schwäche, sondern als ein Signal, das unsere Aufmerksamkeit schärfen und unsere Sinne sensibilisieren kann. Indem wir unsere Ängste bewusst wahrnehmen und verstehen, können wir sie als Treibstoff für erhöhte Konzentration und klare Entscheidungen nutzen. “Meikyou shisui” (heller Spiegel, stilles Wasser) symbolisiert den Zustand mentaler Klarheit, der durch die bewusste Auseinandersetzung mit der Angst erreicht werden kann.

Im Karate: Die Nervosität vor einer Gürtelprüfung oder einem Kumite-Wettkampf als Ansporn für erhöhten Fokus nutzen. In einer potenziellen Selbstverteidigungssituation die Angst in schnelle, klare Reaktionen umwandeln.

Im Alltag: Die Nervosität vor einer wichtigen Präsentation in positive Energie umwandeln, Ängste vor neuen Herausforderungen erkennen und als Motivation nutzen, um über sich hinauszuwachsen.

Diese fünf starken Prinzipien bilden das Fundament des Sento Ryoku Karate. In den kommenden Wochen werden wir Ihnen zeigen, wie diese Philosophie unser Training in allen Altersgruppen bereichert und wie sie uns helfen kann, nicht nur bessere Karateka, sondern auch stärkere und bewusstere Menschen zu werden. Bleiben Sie dran!